Zunächst einmal: Jedes Stimmtraining ist individuell. Dennoch verläuft jedes Training nach bestimmten Prinzipien. In diesem Beitrag beschreibe ich, wie ein 1:1 Stimmtraining ablaufen könnte.
Inhalt:
Aufbau eines Stimmtrainings:
- „Hallo, ich brauche einen Termin!“ Kontaktaufnahme
- „Seit wann liegen die Beschwerden vor?“ Vorgeschichte und Anamnese
- Bestandsaufnahme, Stimmbefund und Diagnostik
- Besprechung des Befundes
- Gemeinsame Zielsetzung
- Herzstück: Das Training
- Abschluss: Automatisierung und Transfer in den Alltag
1. „Hallo, ich brauche einen Termin!“ Kontaktaufnahme
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten einer Kontaktaufnahme. In einer Praxis oder einem Institut besteht häufig die Möglichkeit, sich persönlich vorzustellen und einen Termin zu vereinbaren. Weitere Möglichkeiten sind per Telefon, online oder per E-Mail nachzufragen. Im Anschluss daran wird ein Termin vereinbart. Organisation eines Trainings und erste Informationen dazu sowie der Grund für das Training werden oftmals bereits hier geklärt.
2. „Seit wann liegen die Beschwerden vor?“ Vorgeschichte und Anamnese
Die Anamnese hat das Ziel, Informationen, die wichtig für das sich anschließende Training sind, zu klären. Auch die Bedeutung des Sprechens im beruflichen und privaten Alltag fließen in das Gespräch ein, um einen gezielten und individuellen Trainingsplan aufstellen zu können. Es werden gewisse Fragen bezüglich der Vorgeschichte und der Gründe für ein Training geklärt. Ebenso wird erfragt, welche Ursachen die Klient:innen vermuten. Ein wesentlicher Punkt in der Anamnese ist die Klärung der Motivation. In meinen Gesprächen erhält jede Person nach dem Gespräch ein Fragebogen mit ähnlichen Fragen aus der Vorgeschichte und Platz für freie Äußerungen. So bekommen die Klient:innen die Möglichkeit, sich im häuslichen Rahmen ganz in Ruhe mit der Vorgeschichte und auch mit den Wünschen zu beschäftigen und eventuell Fehlendes zu ergänzen. Eine Anamnese ist als Prozess anzusehen und kann während des Verlaufs eines Trainings oder der Therapie verändert oder ergänzt werden.
3. Bestandsaufnahme, Stimmbefund und Diagnostik
Ziel einer Diagnostik ist es, einen Eindruck der Stimm- und Sprechleistung des/r Klientin/en zu bekommen. Die Hauptbereiche betreffen die Körperhaltung, die Atmung, die Stimmgebung, das Sprechen und die Person/Persönlichkeit. Diese Bereiche sind Kernbereiche einer Befundaufnahme der Stimme und des Sprechens. Die Diagnostik besteht aus subjektiven sowie objektiven Kriterien.
Ein objektives Kriterium ist zum Beispiel eine computergestützte Stimmfeldmessung.
Je nach Wunsch der Veränderung und Ziel durch den Klienten oder der Klientin wird ein Screening oder ein ausführlicher Befund erstellt. Es existieren bestimmte Richtlinien und Normbereiche, beispielsweise für die Tonhaltedauer.
Wünschen zu beschäftigen und eventuell Fehlendes zu ergänzen. Eine Anamnese ist als Prozess anzusehen und kann während des Verlaufs eines Trainings oder der Therapie verändert oder ergänzt werden.
4. Besprechung des Befundes und gemeinsame Zielsetzung
Die Besprechung hat einerseits die Aufklärung und andererseits das Schaffen von Transparenz zum Ziel. Die Trainerin oder der Trainer stellt das Ergebnis der Stimmbeurteilung sowie Ressourcen und Einschränkungen der Stimme und des Sprechens dar. Im Anschluss daran werden Behandlungs- und Trainingsmöglichkeiten erläutert. Dabei werden mit der Klientin oder dem Klienten Zielsetzungen und Möglichkeiten eines Trainings besprochen. In der Regel wird zwischen Grob- und Feinzielen differenziert. Der Wunsch der Veränderung durch die Klient:innen sollte ein wichtiges Kriterium für die Zielsetzung sein.
Die Motivation für ein Training sowie der zeitliche Rahmen fallen ebenso in diesen Bereich.
5. Herzstück: Das Training
Auf Basis der Anamnese, des Befundes und der Zielsetzung wird ein individueller Trainingsplan erstellt. Ein Stimmtraining oder eine Stimmtherapie kann nach vielen unterschiedlichen Verfahren gestaltet werden. Es existieren allein in Deutschland über 50 verschiedene Trainingsmethoden. Je nach Stimmtrainer:in verläuft eine Therapie nach einem bestimmten Verfahren oder das Training verläuft methodenintegriert.
Ein Training ist in der Regel als Prozess anzusehen und betrifft unterschiedliche Bereiche. Persönlichkeit, Wahrnehmung, Körperhaltung, Bewegung, Atmung, Sprechen und die Stimmbildung bilden eine Einheit. Diese Bereiche werden in der Regel bei einem guten Stimmtraining immer beachtet, sie sind miteinander verwoben.
Es ist dennoch möglich, ein Training bereits nach ein oder zwei Stunden zu beenden, wenn sich ein Erfolg eingestellt hat. Im Rahmen meiner logopädischen Stimmtrainings, war das besonders dann der Fall, wenn die Herausforderungen psychischer Natur waren. Beispielerweise brauchte eine ehemalige Patientin nur eine Therapiesitzung, um ihre Aphonie (völliger Verlust der Stimme – ohne organische Ursachen) zu beseitigen und die Symptomatik zu besiegen. Bereits während einer Coachingsitzung über das Bewusstmachen möglicher Ursachen des Stimmverlustes, erlangte sie ihre Stimme, die sie bis dato wochenlang komplett nicht mehr hatte, wieder.
6. Abschluss: Automatisierung und Transfer in den Alltag
Natürlich hat ein Stimmtraining zum Ziel, dass der Klient oder die Klientin die erlernten Techniken im Alltag, und das möglichst automatisiert, anwenden kann. Das Sprechen soll im Idealfall, ohne bewusst darüber nachzudenken, immer und überall nach den neu erlernten Mustern ablaufen.
Ein Transfer ist individuell. Je nach Person, stimmlichen Herausforderungen oder Zielsetzung kann das rasch geschehen, nämlich bereits während des Trainings. Manchmal bedarf ein Transfer bestimmter Prozesse der Automatisierung. Hier kann es zum Beispiel ratsam sein, ein Stimm-Tagebuch zu führen. Schließlich sollen die erlernten Prozesse dauerhaft erhalten bleiben. Selbstwahrnehmung und -beobachtung durch den Klienten oder der Klientin ist eine Voraussetzung. Ein Üben nach jeder Sitzung hat für den Transfer eine große Bedeutung.
Grundsätzlich sollten für einen erfolgreichen Abschluss bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Ein Grundsatz meiner Trainings ist, dass der Klient oder die Klientin eigenständig stimmliche Herausforderrungen erkennt und eigenständig handeln kann. Stell dir das wie einen stimmlichen Werkzeugkoffer vor. Das Werkzeug sind die im Training erlernten Übungen, Strategien und Techniken. Bei einer Herausforderung, zum Beispiel ein Kratzen im Hals oder Schnappatmung kann eigenständig das Werkzeug eingesetzt werden.
Fazit
Ein Stimmtraining ist sehr individuell. Es sollte der zu trainierenden Person mit seinen spezifischen Anforderungen angepasst werden.
Ein professionelles Stimmtraining folgt dennoch einem bestimmten Aufbau. Die Bereiche Kontaktaufnahme, Anamnese, Befund, Zielsetzung, Stimm- und Sprechtraining und Transfer/Abschluss sind wesentliche Bereiche. Ein Training umfasst grob die Bereiche Person/Persönlichkeit, Wahrnehmung, Haltung, Atmung, Sprechen und Stimmgebung.
Für professionelle Sprecher:innen, z. B. Radio- und TV- Moderator:innen ist ein Rede- und Stimmtraining selbstverständlich. Auch Schauspieler:innen und Politiker:innen haben in der Regel Ausbildungen in den Bereichen Stimmbildung und Sprecherziehung durchlaufen. Denn: Stimme wirkt! Immer.
Profitiere auch du!
Viel Erfolg und Freude!
Deine Kerstin Winterboer
P.S.:
Höre dazu die Podcast Episoden „9 Gründe für ein Stimmtraining“, „Für wen ist ein Stimmtraining sinnvoll?“ und/oder „Stimmtraining“ deine Podcasts „Stimme & Sprechen im Einklang“.
Hier findest du:
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